#106: Lucha Memes: Interview mit Daniel „Dhani“ Ledesma, Part 3

Unser LUCHA LIBRE-Korrespondent RAFFAEL NAGEL berichtet aus Mexiko.

Lucha Libre ist magisch - doch manchmal auch knallhart, denn: „In Mexiko ist es schwierig, mit Pro Wrestling Geld zu verdienen.“ Dhani erklärt mir, dass er sehr smart sein muss, um sein Geld so zu verwalten, dass er so viele Shows wie möglich veranstalten kann. Vor allem, seit er letztes Jahr für seine Frau nach Nicaragua ausgewandert ist: „Ich veranstalte einige Shows von Nicaragua aus, wobei mir meine Mitarbeiter in Mexiko helfen. Wenn ich allerdings internationale Talente buche, muss ich in Mexiko sein, weil es eine große Verantwortung ist.“

Das bedeutet extra Flugtickets für den Promoter - und die sind sehr teuer. „Früher war es einfacher für mich, weil ich Single war und keine Familie hatte. Wenn ich die ganze Woche Bohnen essen musste, war das für mich kein Problem“, sagte er grinsend. Dann wurde er ernster: „Aber jetzt habe ich ein Baby, ich habe eine Frau und ich lebe in einem anderen Land. Mein Sohn ist zwei Jahre alt. Ich muss an die Zukunft denken.“


Apropos Zukunft: Neben dem Einsatz von Legenden und Gaststars ist Dhani vor allem für seinen fantastischen Track Record bekannt, wenn es um den Einsatz von zukünftigen Wrestlingstars geht. Wie er das geschafft hat weiß er selbst nicht, denn: „Ehrlich gesagt schaue ich kein Wrestling. Wenn ich als Fan zwei Shows pro Jahr besuche, ist das eine Menge. Wenn ich mir zwei Matches pro Monat ansehe, ist das viel.“ Und trotzdem: „Aeroboy, Raúl Mendoza, Los Traumas, Angélico, Penta, Fénix, Daga, Aramis, Arez, Keyra… sie haben mit mir angefangen, als sie noch sehr jung waren, und ich war der Typ, der auf sie gesetzt hat.“ Er verriet mir im Interview, dass er lieber mit neuen Leuten arbeitet als mit großen Stars. „Wenn solche Wrestler anfangen, mit mir zu arbeiten, lernen sie meine Philosophie kennen.

Am Anfang ist es sehr schwer. Sie sagen ‚Ich mag diese Idee nicht, ich werde die Show nicht machen‘, manchmal sagen sie ‚Ich kenne den Wrestler nicht, gegen den du mich antreten lassen willst, also werde ich nicht arbeiten kommen."


Da viele ältere Luchadores nichts von der internationalen Wrestlingszene wissen, passiert sowas auch dann, wenn sie gegen Gaststars in den Ring steigen sollen. „Man muss den alten Wrestlern erklären, dass es gut für sie ist, weil sich in den Staaten dadurch Türen für sie öffnen können“, weiß Dhani aus Erfahrung. Vor seinem persönlichen Lucha Memes Lieblingsmatch war die Situation allerdings ein wenig anders: „Als ich Negro Navarro gegen Zack Sabre Jr. gebucht habe, musste ich die Traumas anrufen, um ihnen zu sagen, dass sie ihm YouTube-Videos zeigen und erklären sollen, wer Zack Sabre Jr. ist.“

Für Navarro macht es keinen Unterschied, gegen wen er antreten soll. Seine Reaktion auf den NJPW-Star sei deshalb „Eh, yeah, no problem“ gewesen. Dhani aber wollte, dass er weiß, wie wichtig das Match sein würde: „Es ist eine große Verantwortung.

Es hat etwa anderthalb Jahre gedauert, um Zack Sabre Jr. zu bekommen. Wenn du nur eine einzige Gelegenheit hast, ein großartiges Match zu kreieren, ist das ein großer Druck.“


Dhani, der selbst nie gewrestlet hat, verriet mir, dass er sich vor dem Fight große Sorgen gemacht hat - immerhin wrestlet Zack Sabre Jr. ganz anders als in Mexiko üblich und versteht auch kein Spanisch, während Negro Navarro ausschließlich Spanisch spricht. Es waren auch Wrestler gebucht, die für die beiden übersetzen hätten können, doch das hat sich als unnötig herausgestellt: „Als ich das Match gesehen habe, dachte ich, dass sie einen guten Draht zueinander haben. Ich dachte, sie hätten viel Hilfe in der Umkleide bekommen. Nach dem Match sagte mir dann mein Ringrichter, dass sie vorher gar nicht miteinander gesprochen haben.

Als sie angekündigt wurden, gingen sie einfach in den Ring und das war’s.“ Der Kampf, der auf Dhani gewirkt hat, als wäre er „mit viel Geduld und viel Zeit geschaffen“ worden, war schließlich „etwas Natürliches“ - denn Pro Wrestling ist eine universelle Sprache: „Die Wrestler verstehen einander. Das ist etwas, von dem ich nicht weiß, wie es passiert. Das ist die Magie, die sie untereinander haben.“


Für Wrestler ist allerdings nicht nur wichtig, dass sie sich untereinander verstehen: „Wenn du denkst, dass du alleine Erfolg haben wirst - das wird nicht passieren. Du musst jemanden im Rücken haben, der auf dich setzt.“ Dhanis Rat: Sei loyal und sei anders, denn: „Wenn du nicht anders bist, wirst du nie Erfolg haben. Du musst etwas haben, was der Rest nicht hat.“ Dann kommt es nur noch auf die Fans an, denn die entscheiden am Ende darüber, wer wirklich ein Star ist. „In unserer Promotion haben wir einen Typen namens Gato de Ecatepec. Er hat mir vor den Shows geholfen, Stühle aufzustellen und alles in Ordnung zu bringen. Er ist 53 Jahre alt und sein Traum war es, einer der Top-Stars zu werden.

Ich gab ihm eine Chance“, erzählte mir Dhani. „Er war nicht der beste Wrestler der Show. Er machte einige Fehler, aber die Leute liebten ihn. Er war mit viel Herz im Ring und es war ein Erfolg.“

Am Ende fing Gato de Ecatepec an, Bookings von anderen Ligen zu erhalten, und stand im Main Event einer Lucha Memes Jubiläumsshow - „im Lucha Libre ist alles möglich.“


Und weil dem so ist, findet Dhani, dass andere Wrestling-Ligen in Mexiko sich mehr bemühen sollten, eigene Stars zu kreieren. „Ich denke, das mexikanische Produkt ist derzeit ein sehr schlechtes Produkt. Es gibt nicht viel Qualität, es gibt keine Innovation... was wir gerade in Mexiko haben, ist immer das gleiche Zeug. Wie Copy/Paste“, machte er seinem Ärger Luft. So kommt es auch, dass nur wenige lokale Wrestler bekannt werden: „Manchmal unterstützen die lokalen Promoter die falschen Leute. Deshalb sieht man im ganzen Land keine erfolgreichen Wrestler aus Guadalajara, weil sie keine Chancen bekommen. Wir haben Satánico, Makabre - aber nach ihnen gibt es niemanden, nicht viel.

Ein Fan aus Mexiko-Stadt kennt die Wrestler von Guadalajara nicht, er kennt die Shows und Promotions nicht.“ Dhani will zukünftige Stars erschaffen und ihnen helfen. Er ist begeistert davon, wie viele Wrestler, die er als Erster nach Mexiko-Stadt gebracht hat, danach riesige Chancen im Business bekommen haben, denn: „Wir wollen, dass die Wrestler ihre größten Ziele erreichen.“


Zukünftigen Stars zu helfen ist aber nicht immer erfüllend. „Etwas, das in den letzten Jahren sehr schwer war, ist, dass fast niemand dich oder deine Arbeit wertschätzt“, beschwerte sich der Promoter im Interview. „Die Jungs messen dem, was wir für sie getan haben, keine Bedeutung bei.

Am Ende des Tages werden sie nie Danke dafür sagen, was du für sie getan hast.“ Als ich ihm an einem anderen Punkt unseres Gesprächs die Möglichkeit gegeben habe, ein paar Leute zu erwähnen, mit denen er gerne zusammengearbeitet hat, antwortete Dhani mir: „Vielleicht hätte ich letztes Jahr einen Namen genannt und jetzt würde ich nicht noch einmal mit ihm arbeiten. Man wird frustriert.

Zum Beispiel habe ich Aramis in den letzten Jahren oft gelobt und gesagt, ich wünschte, ich könnte in meinen Shows 10 Aramis haben. Und im Moment ist es so... am Ende sind Wrestler immer gleich. Früher habe ich viel mit Wrestlern gesprochen und ihnen geholfen. Heute beantworte ich keine Facebooknachrichten, rede nicht mit ihnen und bin nicht im Locker Room.“


„Es gibt nicht viele loyale Leute in diesem Business“, meint Dhani, der in Mexiko bereits mit vielen Promotions zusammengearbeitet hat. „Es ist traurig, dass es meistens keine gute Erfahrung ist.“ Und besonders schwierig als kleine Promotion, wenn große Ligen keine eigenen Stars schaffen wollen: „Ich mache das seit 15 Jahren. Ich fördere die besten Talente und dann kommt Konnan: ‚Hey Komander, komm her. Aramis, komm her. Arez, komm her.‘ Lucha Memes? Nichts! Vielen Dank, dass du dein Geld ausgegeben hast, Geld verloren hast und unsere neuen Superstars ausgebildet hast.“

Schade findet er es vor allem, wenn er sieht, wie Arez und Aramis derzeit eingesetzt werden: „Im Moment sind sie nicht da, wo sie sein sollten. Sie sind in AAA, haben aber keine wichtigen Matches. Sie sind irgendwie lost.“ Er selbst konzentriert sich mit Lucha Memes gerne auf maximal drei Wrestler, damit ja niemand auf der Strecke bleibt. Auch aktuell noch, denn auch wenn es ihn ab und zu frustriert, ist er stolz darauf, vielen jungen Talenten geholfen zu haben und das weiter zu tun.


„Ich bin sehr stolz auf das, was ich als Wrestling-Promoter erreicht habe“, resümiert Dhani. „Ich hatte keine Connections, keine Freunde im Business. Ich habe viel Zeit gebraucht, um zu lernen. Ich habe auf die harte Tour gelernt - Geld und Freunde verloren und all das, aber 16 Jahre später bin ich immer noch hier und versuche, das Produkt zu ändern. Das versuche ich immer zu tun. Etwas anderes zu machen. Ich mag es nicht, den Rest der Promotions zu kopieren. Ich habe klare Ziele und ich verteidige mein Produkt, mein Konzept. Es braucht viel Kreativität, viel Zeit und es ist eine Menge Stress.“ Letzten Endes ist er 100% Wrestling-Promoter.

Seine anderen Interessen, wie MMA (Styles make fights) und Gothic Rock bindet er in seine Shows ein. Auch, was er so gemacht hat, als er Pro-Wrestling kurzzeitig den Rücken gekehrt hat: „Ich war in der Erotikbranche und darum hatten einige Shows dieses Jahr die Namen berühmter Pornostars. Ich habe auch Shows mit erotischen Parts gemacht, mit Zwergen und Dildos und solchen Sachen. Ich hatte Drag Queens, verrücktes Zeug.“


„Die E-Mail-Adresse der Promotion ist fckmexico@gmail.com. Du denkst vielleicht, das heißt ‚Fuck Mexico‘, aber FCK war der Name meiner T-Shirt-Marke, als ich ein Mädchen aus der Erotikbranche als Geschäftspartnerin hatte. Wir veranstalteten einige Konzerte und Shows in Bars in der Innenstadt von Mexiko-Stadt. Ich habe einige verrückte Sachen gemacht, eine Menge verrückte Sachen im Pro-Wrestling“, erinnerte sich Dhani.

Im Wrestling war und ist er ein großer Unterstützer der Luchadoras. „Als ich bei DTU war, habe ich DTU Femenil gegründet. Wir haben Vaquerita, Chik Tormenta, Lolita und Keyra entdeckt.“

Dass Luchadoras heuer angefangen haben, OnlyFans Accounts zu erstellen, findet er nicht sonderlich gut: „Viele der Mädels haben Probleme mit Fans, manchmal auch mit Wrestlern oder sogar Promotern.“ Warum es in Mexiko kein #SpeakingOut-Movement gegeben hat, kann er sich selbst nicht erklären: „Es wäre #SpeakingOut 2.0, Extreme Version. Es ist schrecklich.“


Dhanis drei aktuellen Projekte sind León Dorado, Tonallí - und Vengador: „Er ist auf einem erstaunlichen Niveau. Er kann ein zukünftiger Star sein.“ Doch nicht nur mit diesen drei jungen Wrestlern hat Dhani einiges vor. Sein nächstes Ziel sind die Vereinigten Staaten: „Ich würde gerne eine Show am WrestleMania-Wochenende veranstalten. Mit all diesen ‚Haien‘ schwimmen und mich mit einem interessanten Produkt messen.“

Zu diesem Zweck baut er gerade eine Beziehung mit West Coast Pro auf: „Letzten Monat habe ich Kontakt mit dem Eigentümer der Liga aufgenommen und er sagte mir ‚Wann immer du dich bereit fühlst, können wir eine gemeinsame Show machen.‘“ Die erste US-Show hat Lucha Memes im Jänner 2021 nach Texas gebracht. Zusammen mit Martinez Entertainment haben sie dort „Guerra de Naciones“ mit Matches wie Arez vs. Daniel Garcia, Aramis vs. Jonathan Gresham und Extreme Tiger vs. Wheeler Yuta veranstaltet. Das komplette Event kann man - wie sämtliche Lucha Memes Shows seit September 2020 - auf IWTV.live sehen.


Frühere Lucha Memes Shows sind auf dem YouTube-Kanal von Más Lucha hochgeladen worden. „Ich habe mein Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt“, erklärte mir Dhani. „Más Lucha ist stark gewachsen - sie haben jetzt ein gutes Büro und viele Leute, die mit ihnen arbeiten.“

Dieses Wachstum habe allerdings nur für Más Lucha selbst zu Profiten geführt: „Sie haben nicht gesagt: ‚Du hast uns deine Show gegeben und wir machen Profit damit, also nimm etwas Geld.‘ Nein, sie haben mir nie Geld gegeben.“ Auch Más Lucha Premium war keine Option, denn das Angebot wäre gewesen, dass sie Dhani die Hälfte des Geldes geben, das sie durch Abonnements einnehmen, die wegen seiner Promotion entstanden sind. „Und ich wäre der Typ, der die Abos verkaufen muss.

Sie bekommen mein Produkt umsonst und ich bin auch noch ihr Verkäufer? Ich habe Nein gesagt. Der Rest der mexikanischen Promoter hat diese Mentalität nicht. Einige von ihnen zahlen Más Lucha sogar, damit sie ihre Shows aufnehmen.“


Bei IWTV läuft es anders. Ihr Angebot: „Du bekommst Geld, aber das Geld, das du bekommst, hängt von deinen Ergebnissen ab. Von der Anzahl der Leute und der Anzahl der Stunden, in denen die Leute deine Shows auf unserer Plattform sehen. Das finde ich fair. IWTV bezahlt auch die Produktion meiner Shows. Sie haben eine Gruppe von Leuten in Mexiko, die Shows filmen und bearbeiten. IWTV bezahlt sie pro Show. Ich gebe kein Geld für die Produktion aus und sie bezahlen mich entsprechend der Anzahl der Leute, die meine Shows sehen.“

Die könnte allerdings größer sein: „Es ist schwieriger als ich dachte. Als wir bei IWTV anfingen, dachte ich, dass Fans aus anderen Teilen der Welt sehr an der Liga interessiert sein würden, weil es nicht viele mexikanische Promotions auf der Plattform gibt.“ Immerhin: „Im Moment erhalten wir viele Nachrichten von Wrestlern, die mit uns in Mexiko arbeiten wollen. Das ist großartig. Und das ist etwas, bei dem uns IWTV geholfen hat - von vielen neuen Wrestlern gesehen zu werden, die in unseren Shows dabei sein wollen.“


Das ist das Ende unseres großen Interviews mit dem Promoter Daniel „Dhani“ Ledesma. Lucha Memes ist neben IWTV auch auf Facebook, Twitter und Instagram.

Der Fundraiser auf https://donadora.org/campanas/luchalibre-coacalco dauert noch einen knappen Monat und bietet Perks wie die komplette Guadalajara-Show vom Oktober, T-Shirts, professionelle Luchador-Masken und mehr ab 10 Euro. Das Geld dient dazu, die monatlichen Ausgaben des Coliseo Coacalco für das Jahr 2023 zu decken, damit Lucha Memes auch im nächsten Jahr eine Menge Sachen machen kann - für Luchadores und ihre Fans.

 

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